Elektro

Die Säulen-Heiligen von Elvah

Wo ist die nächste Ladestation? Mit Elvah lädt man Strom per Flatrate. Foto: Elvah

Das kleine Start-up Elvah will beim Elektro-Auto schaffen, woran Konsortien namhafter Autobauer scheitern: Flatrate-Laden ohne Karten-Wirrwarr.

Es hat so etwas von Zukunft: Mit Stromes Stärke über Land düsen. Flott und geräuschlos. Das zumindest halbwegs gute Gewissen ist stets mit an Bord. Und beim Break füllt sich in der Zeit eines gepflegten Käffchens die Batterie – wie im Werbespot.


Wenn bloß die Realität nicht wäre: Das Ladenetz ist mit grobmaschig nicht böswillig beschrieben, die Säulen sind gerne mal besetzt oder gleich kaputt, und drumherum sieht es nur selten einladend aus. Man muss schon mit der Gelassenheit eines Zen-Mönches unterwegs sein, um als Vielfahrer eines Akku-Autos nicht gelegentlich die Contenance zu verlieren. Bekannt sind diese Zustände seit Jahr und Tag – interessiert indes haben sie bislang kaum jemanden. Das änderte sich kurzzeitig, als ein gewisser Herbert Diess gen Gardasee rollte – und beim Schnellladesäulen-Betreiber Ionity auf eben jenen grauen Alltag traf. „Kein WC, kein Kaffee, eine Säule außer Betrieb/defekt, traurige Angelegenheit. Das ist alles andere als ein Premium-Ladeerlebnis, IONITY!“, schrieb der Mann auf LinkedIn.

Keine Auskunft von Ionity

Nun ist Herbert Diess nicht irgendein motziger Kunde, sondern immerhin Konzern-Boss von Volkswagen. Und die Wolfsburger halten – wie BMW, Daimler, Ford und Hyundai – 20 Prozent an Ionity. Das Konsortium wollte 2017 Teslas Superchargern etwas entgegensetzen. Die Reaktion: Fünf Prozent der Ladepunkte bereiteten Probleme, ließ Ionity mitteilen. Man arbeite an technischen Verbesserungen. Immerhin gehört der Anbieter mit bis zu 79 Cent je Kilowattstunden bei Adhoc-Ladern zu den teuren im Lande. An der heimischen Steckdose werden nur um die 32 Cent fällig. Gern hätte wir uns übrigens auch mit Ionity beispielsweise gern darüber unterhalten, wie man dort feststellt, ob eine Säule geht oder defekt ist. Doch sowohl telefonisch als auch schriftlich sah man sich dort dazu nicht in der Lage.

Allerdings klaffen Angebot und Nachfrage in Sachen Säulen weit auseinander. Knapp 1400 Schnellladepunkte mit mehr als 150 kW gibt es derzeit laut Bundesnetzagentur in Deutschland. Umfragen zeigen allerdings, dass sich mehr als 90 Prozent der E-Auto-Fahrer vor allem normale innerstädtische Ladesäulen wünschen. Das könnte daran liegen, dass die meisten zu Hause laden oder auf dem Parkplatz ihres Arbeitgebers. Die weite Fahrt ist nicht ihr vorrangiges Interesse.

Preis-Wirrwarr an den Säulen

Doch das ist nur ein Aspekt. Hauptkritikpunkt der allermeisten Nutzer ist das derzeitige Preis-Wirrwarr. Die einen Anbieter rechnen nach Standzeit ab, die anderen nach Strom, die dritten je Ladevorgang. Bei den einen kommt eine Grundgebühr dazu, dafür ist bei anderen die Kilowattstunde teurer – und im Zweifel hat man ohnehin die falsche Karte dabei. Wer da die Lösung schafft, dem dürfte die Heiligsprechung sicher sein.

Gleich zwei Schritte voraus ist ganz offensichtlich Elvah. Das Start-up mit Sitz im rheinland-pfälzischen Örtchen Grafschaft hat sich aufgemacht, nicht bloß das Tarif-Dickicht zu lichten, sondern zudem den verlässlichen Weg zur besten Säule zu weisen. Das Ende Diess’scher Frustration also? Auf 150.000 Ladepunkte in ganz Europa hat Elvah Zugriff – „weit mehr, als der Bundesverkehrsminister kennt“, heißt es auf der Website.

Laden per Flatrate

Eine simple App soll es richten. Und eine Flatrate, mit der alle Kosten an öffentlichen Säulen gedeckt sind – auch an Schnellladern. Egal von welchem Anbieter. Der Tarif reicht – je nach Akku-Größe – von 89 Euro im Monat für einen Dacia Spring und vergleichbare Modelle bis zu 199 Euro für Porsche Taycan und Co. Einfach tippen, laden, fertig. Und erwischt man eine Säule, die nicht bei Elvah angebunden ist, gibt’s das Geld für den Strom zurück

Das klingt, als habe das Paradies seine Pforten geöffnet. Doch warum sollte ein kleines Unternehmen hinbekommen, was große Konsortien nicht auf die Reihe kriegen? Womöglich liegt in der Frage schon die Antwort. „Wir sehen durch eine ganz andere Brille“, sagt Elvah-Chef Gowrynath Sivaganeshamoorthy. Wer E-Mobilität voranbringen wolle, müsse sich doch vorrangig fragen, was die Kunden wünschen. Deren Interessen aber spielten bei grundlegenden Entscheidungen so gut wie keine Rolle, klagt der Mann mit Wurzeln in Sri Lanka, der selbst seit mehr als vier Jahren E-Auto fährt. „Die Politik sollte besser den Nutzern zuhören als immer bloß der Industrie und den Providern.“ Darum auch das Konzept der fixen Preise. „E-Mobilität braucht simple Mechanismen“, sagt der 43-Jährige, den fast alle Gowry nennen. Mit einer Flatrate wisse man von Anfang an, was zu zahlen ist – keine zusätzlichen Gebühren, keine versteckten Kosten, keine bösen Überraschungen. Kalkuliert ist das Ganze ausschließlich für Privatfahrer. Für Geschäftskunden gibt es Flex-Tarife.

Daten, Daten, Daten

Das Unternehmen selbst verfügt über keinerlei Ladeinfrastruktur. Alles, was man bei elvah hat, sind Daten, Daten und nochmals Daten – ergänzt um die Erfahrungen der Kunden. Ladeversuche, Geschwindigkeit, Standorte – all das und noch mehr wird erfasst und rund um die Uhr ausgewertet. Damit scheint das Material nicht vielfältiger als das der Konkurrenz. Offenbar aber gehen sie bei Elvah pfiffiger zu Werke.

„Wir können aus Daten Muster erkennen“, sagt Gowry. Wechsle etwa der Zustand einer Strom-Tankstelle ständig, gebe es dort vermutlich ein Problem. Bis zur Klärung rückt die Säule im Ranking dann nach hinten. Das gelte auch für Ladepunkte, die offiziell 250 kW ausweisen, wo aber noch nie mehr als 90 kW gemessen wurden. Aus all diesen Informationen destilliert Elvah ein Empfehlungsregister. Soll heißen: die nächstgelegene, die schnellste und die beste Säule. Noch werden alle gleichberechtigt angezeigt. Über eine „Smart Map“ soll man künftig aber auch Prioritäten eingeben können. Hexenwerk? Kein bisschen, sagt Gowry. „Wir machen nur Dinge, die in anderen Bereichen längst Standard sind.“

Darum auch die Steuerung per App. Aus Prinzip hat man sich bei Elvah gegen eine Ladekarte entschieden. Hauptgrund: Mangelnder Kopierschutz. Es gebe da bloß eine Nummer – ohne Schlüssel, ohne Zertifikat. Gowry: „Wir waren am Anfang regelrecht erschrocken darüber, wie riskant die bestehenden Systeme sind. Natürlich will Elvah Geld verdienen. Aber irgendwie hat man das Gefühl, Gowry befindet sich in Sachen E-Mobilität auch auf einer Mission. Das mag damit zu tun haben, dass er im Ahrtal wohnt – jenem Landstrich, den die Flut so katastrophal heimgesucht hat. In Sachen Klima jedenfalls hat er einen eindeutigen Standpunkt: „Wir müssen heute etwas ändern – nicht erst morgen.“ Dazu brauche es massive Unterstützung durch die Politik, sagt Gowry. Besonders zuversichtlich ist er allerdings nicht. Die sei schließlich noch nie Innovationstreiber gewesen. Schon weil gar nicht alle an einem Tisch säßen. „Es ist wie bei der Digitalisierung – entweder geschieht gar nichts oder das Falsche.“

Über den Autor

Wolfgang Plank

Wolfgang Plank ist freier Journalist und hat ein Faible für Autos, Politik und Motorsport. Tauscht deshalb den Platz am Schreibtisch gerne mal mit dem Schalensitz des Rallye-Copiloten.

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