Elektro

BMW i7: Zwischen den Welten

Der BMW i7 in der Nähe von Palm Springs vor Windrädern zur Erzeugung von Erneuerbaren. Foto: Daniel Kraus/BMW

Der BMW 7er wird erstmals auch als Elektrovariante angeboten. Der i7 lässt wenig Wünsche offen, doch wirft nicht nur wegen seiner Länge einige Fragen auf.

Christian Schneider ist bei BMW der Mann, der das wichtigste Modell der Münchner verantwortet: den neuen 7er. Es ist das Flaggschiff des Autobauers. „Es ist der Beginn einer neuen Zeitrechnung in der Luxusklasse“, sagt Schneider selbstbewusst. Der Vorstand spreche mit Blick auf den 7er von einem „Meisterstück“, fügt er zufrieden hinzu.


Vor über vier Jahren wurde Schneider als Projektleiter damit betraut, die siebte Generation des Siebeners auf den Weg zu bringen. Erstmals in der seit 1977 andauernden Historie der 7er-Baureihe wird es mit dem i7 nun auch eine reine Elektro-Variante geben. Doch die Münchner leiten mit ihm keineswegs den Abschied vom Verbrenner ein, sondern behalten ihn weiter im Angebot. So lässt sich das Flaggschiff auch weiter als Benziner, Diesel und auch als Plug-in-Hybrid bestellen. „Wir bieten unseren Kundinnen und Kunden genau die Lösungen, nach denen sie verlangen“, sagt Schneider.

Nur Langversion im Angebot

Damit folgt BMW seiner so genannten „Power of Choice“-Strategie. Der Kunde soll die Wahl haben, für welchen Antrieb er sich entscheidet. BMW will ihm ungeachtet des nahenden Verbrenner-Aus im Jahr 2035 in Europa nicht eine Technologie aufzwängen. BMW-Boss Oliver Zipse – zugleich Chef des europäischen Herstellerverbandes ACEA – spricht sich ungeachtet der Diskussionen um Klimawandel und Verkehrswende unverändert für eine Technologie-Offenheit aus. Das wirkt arg entscheidungsschwach.

Mit Blick auf die wichtigsten Absatzmärkte macht das aus wirtschaftlichen Aspekten Sinn. Das trifft insbesondere auch auf den neuen Siebener zu. Hauptmarkt für ihn ist China mit einem erwarteten Absatz von 45 Prozent. Dahinter folgen Korea und Japan (26 Prozent) vor den USA (20 Prozent). Für Europa wird gerade einmal ein Absatz von neun Prozent erwartet.

China als Hauptmarkt

Wohlfühlatmosphäre auf dem Fahrersitz des BMW i7. Foto: Daniel Kraus/BMW

Dass ein Modell wie der Siebener insbesondere auf den chinesischen Markt ausgerichtet ist, zeigt sich auch bei der Länge des Fahrzeuges. Es ist 5,39 Meter lang. Das sind 13 Zentimeter (!) mehr als beim Vorgänger mit langem Randstand. Das ist eine Ansage, aber genau das, was die Kundinnen und Kunden gerade in China verlangen. Deshalb macht sich BMW auch gar nicht mehr die Mühe, zwei Radstände für den Siebener anzubieten. Weltweit wird es ihn nur noch mit langem Radstand (3,21 Meter) geben. Damit diesen imageträchtigen Unterschied in China auch jeder mitbekommt, wird der Siebener dort auch weiterhin mit dem Zusatz „L“ in der Modellbezeichnung ausgeliefert. Der dortige Kunde, im Durchschnitt 38 Jahre alt (in Europa liegt der Altersschnitt bei 57 Jahren), will halt zeigen, was er sich leisten kann.

Dass ein solches Auto auch in den immer voller werdenden und staugeplagten Städten Chinas mit seinem Abmessungen an seine Grenzen stößt, ist ein anderes Thema. Im Idealfall lassen sich die jungen Reichen (der Einstiegspreis des i7 liegt bei 135.900 Euro) dort ohnehin chauffieren – und genießen den Luxus im Fond. Natürlich lässt sich der Rücksitz auf der Beifahrerseite in eine bequeme Reiseposition samt ausfahrbarer und spaltloser Beinauflage bringen. All das lässt sich über ein kleines Display in den Seitentüren steuern. Von dort aus lässt sich auch der so genannte Theatre Screen herausfahren, ein 31,3 Zoll großer Bildschirm. Er macht den Siebener zu einem rollenden Kino. Hier kann man sich beispielsweise die aktuellen Filme auf Netflix oder Amazon anschauen. Dieses In-Car-Entertainment ist für Schneider dann auch eines der vielen Highlights des Siebeners.

Gewicht von 2,7 Tonnen

Aber es war nicht die größte Herausforderung bei der Entwicklung. Die lag eher in der Integration des elektrischen Antriebsstranges in das Gesamtfahrzeugkonzept. Mit dem Ergebnis jedenfalls ist Schneider zufrieden. Kann er auch, wie die Testfahrten im kalifornischen Palm Springs zeigten. Klar, seine Länge merkt man dem Siebener bei den Testfahrten ebenso an wie sein Gewicht von knapp über 2,7 Tonnen.

Dafür, dass sich das Fahrzeug trotz seiner Abmessungen so gut und komfortabel fahren lässt, sorgt das Zusammenspiel aus Hinterachslenkung, Aktivlenkung, aktiver Wankstabilisierung und dem adaptiven Fahrwerk mit Luftfederung. So unterwegs kann man auch beherzt Kurven anfahren und bekommt selbst von den vielen schlechten Straßen in den USA nichts mit. Die jungen Reichen in China dürften von den fahrdynamischen Eigenschaften des neuen Siebeners indes in den Dauerstaus der chinesischen Millionen-Städte nur wenig mitbekommen.

Natürlich sind E-Autos von Natur aus leise – doch der neue Siebener beeindruckt neben seinem Komfort vor allem durch das sehr, sehr niedrige Innenraumraumgeräusch. Man nimmt von seiner Außenwelt so gut wie nichts wahr – die Aerodynamiker und Aeroakustiker von BMW haben hier einen tollen Job gemacht. „Die Stille im Auto ist das Faszinierende: Du steigst ein, fährst los – und es herrscht vollkommene Ruhe“, zeigt sich Schneider beeindruckt.

Leistung von 544 PS

Doch kommen wir zur Batterie: BMW hat im i7 eine 101,7 kWh starke Batterie verbaut. Die E-Motoren im xDrive 60 bringen es auf eine Leistung von 544 PS und stellen ein maximales Drehmoment von 745 Nm zur Verfügung. So unterwegs sprintet der i7 in sportlichen 4,7 Sekunden auf Tempo 100, die Spitzengeschwindigkeit ist bei 240 km/h erreicht. Und, auf welchen Verbrauch kommt der i7? Laut WLTP soll er sich – je nach Ausstattung und Reifengröße – mit 18,4 bis 19,6 kWh auf 100 Kilometer begnügen. Das hört sich für ein Auto dieser Größe fast zu schön an, um wahr zu sein.

Doch nach 400 Testkilometern zeigte der Bordcomputer einen Verbrauch von 19,4 kWh an. Das ist gut, sehr gut sogar – und Schneider kann sich bestätigt fühlen, als wir ihm nach unseren Testfahrten von diesem Verbrauch erzählen. Vor der Abfahrt hatte er uns bereits auf die Effizienz des i7 hingewiesen. Ist die Batterie leer, kann sie an einer Schnellladestation mit bis zu 195 kW geladen werden. So vergehen 34 Minuten, um den Akku von zehn auf 80 Prozent zu laden.

Dass dieses Auto versucht, seiner Besitzerin oder Besitzer das Beste vom Besten aus dem Konzernregal zu bieten, merkt man auf jedem gefahrenen Kilometer. Da ist der Komfort, die Stille, ein Infotainment-System auf Highend-Niveau und Fahrassistenzsysteme, die so funktionieren, wie man es erwartet. So ermöglicht beispielsweise der Autobahnpilot Fahren auf Level 2+. Man kann die Hände vom Lenkrad nehmen, ohne dass nach ein paar Sekunden die Aufforderung erfolgt, es wieder festzuhalten (die Regularien in den USA erlauben es). Setzt man den Blinker, wird der Fahrbahnwechsel automatisch durchgeführt. Das funktionierte bei den Testfahrten ohne Probleme. Autonomes Fahren auf Level 3 – so wie es Mercedes für die S-Klasse bzw. den EQS anbietet – soll zu einem späteren Zeitpunkt folgen.

Wunsch nach mehr Modernität

Der BMW i7 bringt es auf eine Länge von 5,39 Meter. Foto: Daniel Kraus/BMW

Vergleicht man den Siebener beispielsweise mit dem Mercedes EQS, dann bietet er zweifelsfrei ebenso überzeugende Fahrleistungen wie der Konkurrent aus Stuttgart. Allerdings hat sich Mercedes im Gegensatz zu BMW entschieden, ein eigenes E-Modell zu entwickeln – und der bestehenden S-Klasse nicht einfach einen E-Antrieb zu verpassen. Das ist mit Blick auf die Transformation eines Autobauers hin zur nachhaltigen Mobilität der konsequentere Weg als ihn BMW mit „Power of Choice“ geht. Beim EQS ist Mercedes auch beim Design modernere Wege gegangen als es BMW mit dem Siebener tut – der auch äußerlich zur Schau trägt, was für ein Trumm auf Rädern er ist. Mehr Mut zur Modernität hätte ihm gut zu Gesicht gestanden.

Irgendwann muss man sich als Autobauer halt entscheiden, in welche Richtung man gehen will – und sich dazu auch konsequent bekennen. Bei BMW indes schreckt man davor zurück. Stattdessen lässt es der Vorstand der Münchner zu, dass ein Auto wie beispielsweise ein BMW XM auf den Markt kommt, ein fahrender Anachronismus. Er bestätigt all die, die der Autoindustrie fehlenden Transformationswillen vorwerfen.

Ob ein solches Modell wirklich damit zu rechtfertigen ist, dass dafür eine Nachfrage besteht, muss bezweifelt werden. Aber solche Kritik findet beim BMW-Vorstand kein Gehör. Angesichts guter Geschäfte sieht man sich mit seiner Strategie auf dem richtigen Weg. Außerdem dürfte es ihm ziemlich egal sein, welche Kritik aus Europa kommt. Die Geschäfte werden in China und den USA gemacht. Von daher kann man solche Kritik wie auch Stilfragen am Design des neuen Siebeners auch an sich abprallen lassen.

Über den Autor

Frank Mertens

Nach dem Sport- und Publizistikstudium hat er sein Handwerk in einer Nachrichtenagentur (ddp/ADN) gelernt. Danach war er jahrelang Sportjournalist und hat drei Olympische Spiele (Sydney, Salt Lake City, Athen) als Berichterstatter begleitet. Bereits damals interessierten ihn mehr die Hintergründe als das bloße Ergebnis. Seit 2005 berichtet er über die Autobranche. Neben der Autogazette verantwortet er auch den redaktionellen Teil des Magazins electrified.

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