Nun hat auch Alfa Romeo ein Elektroauto im Angebot – den Milano. Er tritt gegen starke Konkurrenz an. Dafür setzt er auf Technik aus dem Konzernregal.
114 Jahre mussten vergehen, bis Alfa Romeo zum ersten Mal ein Auto nach seiner Heimatstadt Mailand benannte. Jetzt endlich fielen in der Metropole der Lombardei die letzten Hüllen des neuen Milano, wie die Italiener die Millionenstadt nennen. Ein stolzer Tag für die Kultmarke und deren zahllose Fans, die sich liebevoll als Alfisti bezeichnen.
Als dann aber das Premierentuch über das steile Heck gen Boden flutscht, ist der Modellname am 4,17 Meter langen Kompakt-SUV lediglich seitlich zwischen Kotflügel und Türfalz zu entdecken. Am Heck prangt in geschwungener Schrift nur „Alfa Romeo“.
Dreigestirn von Premiummarken
Ein wichtiges Auto für die Marke, die im Stellantis-Konzern zusammen mit DS aus Frankreich und der gerade wiedergeborenen Ikone Lancia zum noblen Dreigestirn feinerer Premium-Modelle gehört. Der Milano macht die Alfa-Familie zum Quartett und dürfte wohl zum meistverkauften Modell der Marke werden. Die Limousine Giulia und das große SUV Stelvio sind deutlich teurer, das Mittelklasse-Modell Tonale dagegen wird sich wohl mit dem neuen Junior auf Augenhöhe von rund 40.000 Euro halten.
Die drei bisherigen Modelle aber sind Verbrenner der alten Schule. Der Milano mit Nachnamen Elettrica, der ab 40.000 Euro in der Preisliste steht, dagegen fährt mit Strom und ist damit der erste Alfa seiner Art. Doch die Italiener gehen auf Nummer sicher. Für hartgesottene Benziner-Fans wird es auch eine Variante mit 1,2-Liter-Dreizylinder geben, deren Futterstelle wie gehabt die Tanke ist. Dank der Beihilfe eines kleinen, 21 kW starken E-Motors samt 48-Volt-Batterie dürfte der „Ibrida“ (Hybrid) sogar recht flott unterwegs sein, auch wenn die genauen Daten noch nicht feststehen. Dafür aber der Preis: ab 29.900 Euro.
Bekannte Technik verbaut
Das Wichtigste aber bleibt der neue Stromer, der vom reichhaltigen Elektrobaukasten des Mischkonzerns profitiert und sich. Unterbau mit diversen anderen Stellantis-Modellen teilt. Beispiele sind der Fiat 600 e, der elektrische Jeep Avenger, aber auch Opel Mokka Electric oder Peugeot E-2008. Alle treten in der Klasse von Autos an, die derzeit bei den Kunden am beliebtesten ist.
Die kompakten SUV mit einer Länge von knapp über vier Metern haben den größeren und teureren Modellen bei vielen Herstellern den Rang abgelaufen. Mit dem 54-kWh-Akku soll der Mailänder, der übrigens in Polen gebaut wird, über 400 Kilometer weit kommen, sein E-Motor liefert 115 kW/156 PS. Welche Batterie die Variante mit 176 kW/240 PS und dem Zusatz Veloce befeuern wird, ist noch nicht bekannt. Gegen die Reichweitenangst hilft die Fähigkeit auch an 100-kW-Säulen anzudocken und dann in 30 Minuten von zehn auf 80 Prozent der Batterie-Kapazität zu laden.
Klassenüblich ist nicht nur die Technik unterm Blech des Milano. Da überall die Ingenieure in ihren Windkanälen auch ihrer Suche nach der idealen Form eines E-Autos meist auf ähnliche Ergebnisse kommen, nähern sich die Kleider verschiedener Modelle immer mehr an. Leicht ansteigende Motorhaube, ein optisch schwebendes Dach mit überstehendem Spoiler oberhalb der Heckscheibe, dahinter ein steil abfallender Abschluss. Ob VW ID 3, Renault Megane e-Tech, der neue Lancia Ypsilon oder auch der Hyundai Ionic, die Designs gleichen sich.
Der Alfa Milano bewegt sich also in guter Gesellschaft. Natürlich garniert mit italienischer Eleganz wie den ultraschmalen dreigeteilten Tagfahrleuchten, das die Matrix-LED-Scheinwerfer wie Augenbrauen beschirmt. In der Mitte der auf der Spitze stehende „Scudetto“-Kühlergrill auf Wunsch in modernerer Form als bisher. Auf der Vorderseite der Haube grüßt das Traditionslogo mit Kreuz und Schlange. Seitlich wird die Optik von den beiderseits kurzen Überhängen und den dezenten Umrandungen der Kotflügel geprägt.
Wertige Materialien verwandt
Der Innenraum des kleinsten Alfa mutet wie in den meisten heutigen Auto eher wie der Arbeitsplatz in einem ordentlichen Büro als das Cockpit eines Autos an. Eingebettet in erlesene Materialien ist ein 10,25 Zoll großer TFT-Bildschirm der Blickfang. Wichtige Funktionen werden per Touchscreen bedient. Aus der alten Welt bleibt unterhalb des Monitors eine Klaviatur an Knöpfen und Schaltern erhalten, die für Heizung und Klima reserviert sind. Ein weiteres 10,15-Zoll-Display passt sich an die runden Gehäuse der Instrumente hinterm Lenkrad an, versorgt den Fahrer mit allen nötigen Details. Eine gute Mischung aus Modernität und der Tradition des früher als „Cannocchiale“ (Fernrohr) bekannten Alfa-Designs.
Aus der langen Liste an elektronischen Helfern sticht ein Detail heraus, das mehr und mehr den Weg aus Smartphone oder Computer ins Auto geschafft hat. Die bekannte KI-Software ChatGPT hilft nicht nur bei der Programmierung des Navigationssystems, in dem Fahrtroute samt Ladepausen berechnet werden, sondern sie dient auch als virtueller Beifahrer. Die künstliche Intelligenz liefert auf Nachfrage Ratschläge zu Fahrtzielen oder interessanten Punkten entlang der Strecke, kann sogar Geschichten eines gewünschten Themas erzählen oder Staupausen mit einem Quiz verkürzen.
Natürlich weiß sie auch alles über das Wetter oder drohende Verzögerungen. Über eine Smartphone-App lassen sich ferngesteuert die Fenster öffnen oder schließen, der Standort des Milano ermitteln oder der Ladevorgang überwachen. Mit Ausnahme der KI-Funktionen bieten das inzwischen die meisten E-Autos. Unterm Strich hat Alfa seine Hausaufgaben erledigt und hat ein modernes und schönes Auto auf die Räder gestellt. Später im Jahr wird eine Variante mit Allradantrieb nachgeliefert. Sie ist allerdings dem Alfa Romeo Ibrida Q4 mit Verbrennermotor vorbehalten. (SP-X)