Ein E-Bike hält auch ältere Menschen fit. Dank der Unterstützung des Motors können auch Senioren noch längere Strecken absolvieren, wie unser Trip bei der „Velovista“ mit prominenter Begleitung in Kärnten zeigte.
Von Rainer Unruh
Früher war alles anders. Eine Tagesetappe über 80 Kilometer war für die meisten Menschen um die 70 kaum machbar. Heute lautet das Motto vieler Seniorinnen und Senioren ganz selbstbewusst: Yes, we can! Hunderte Gleichgesinnter trafen sich bei der fünftägigen Premiere der „Velovista“ in Kärnten.
Startpunkt des Events war in Villach, hier stehen rund 400 Radler bereit. Nur 30 von ihnen setzen noch auf klassische Fahrräder. Der Rest ist elektrisch unterwegs – bereit für die erste Etappe der Velovista, die bis zum Klopeiner See führt.
Entspannt auf die 80 Kilometer-Tour
Mit dabei: Katharina und Herbert Görk aus Gunzenhausen. Beide um die 70. „Ich fahre auch zu Hause immer E-Bike“, sagt Katharina und dann deutet sie auf ihren Mann. „Herbert fährt im Alltag oft ohne Motor, aber auf gemeinsamen Touren nimmt er auch das E-Bike, damit wir ohne Probleme gemeinsam radeln können. 40 Kilometer schaffen wir locker – aber 80 wären uns ohne Unterstützung zu viel.“ Die Stimmung am Start ist entspannt, die Fahrt beginnt gemächlich. Ganz im Sinne der Velovista – der Name steht für Radfahren mit Aussicht, für Entschleunigung und Genuss.

Kärnten mit seinen vielen Seen bietet landschaftlich eine beeindruckende Kulisse. Foto: PSB Media Kärnten
Die Idee zur “Velovista” entstand im Vorjahr. Touristiker und Fahrrad-Enthusiasten aus Villach und Klagenfurth – die sich sonst eher so lieb haben wie Kölner und Düsseldorfer – entwickelten gemeinsam ein neues Konzept für nachhaltige Radtouren.
„Wir haben hier viele Rad-Events, meist sehr sportlich geprägte“, erklärt Paco Wrolich, einst Österreichs erfolgreichster Radprofi, heute Radkoordinator von Kärnten. „Mit der Velovista wollten wir endlich auch den Genussradlern etwas bieten – und voilà: hier ist sie!“
Der Name „Velovista“ sei ihm übrigens ganz ohne KI eingefallen, sagt Wrolich lachend. Die Resonanz auf die Premiere übertrifft alle Erwartungen. Über 500 Teilnehmerinnen und Teilnehmer radeln in fünf Tagen durch Kärnten, viele bleiben den gesamten Zeitraum dabei. Die Veranstalter hatten gedacht, dass zur Genusstour vielleicht die Hälfte mit dem eigenen E-Bike anreist, das es 85 Prozent werden, hat sie doch überrascht.
Fertig für die Herausforderung

Entspannt durch den Wald: Teilnehmer der Velovista in Kärnten während der Etappe. Foto: PSB Media Kärnten
Die erste Etappe verläuft entlang des Drauradwegs. Sie führt durch das grüne Rosental, vorbei an den Stauseen von Feistritz und Ferlach bis nach St. Kanzian am Klopeiner See. Die Route ist überwiegend asphaltiert und nur selten unterbrochen von Schotterpassagen. Der Schwierigkeitsgrad liegt bei zwei von zehn – für geübte Radfahrer. Dank der E-Bikes schaffen alle die 80 Kilometer lange Strecke gleich gut zudem bleibt noch genügend Zeit, die Landschaft zu genießen.
Ein prominenter Teilnehmer ist Skilegende Franz Klammer, 72 Jahre alt, Schirmherr der Velovista – und wie immer mit einem Augenzwinkern unterwegs. „Ski fahren ist leichter, die fahren von selbst“, scherzt er. Aber auch das E-Bike hat es ihm angetan. „Genussradeln heißt auch, den Körper zu schonen. Deshalb fahre ich E-Bike“, erklärt er im Gespräch mit electrified. Nachhaltigkeit ist ihm wichtig: Zuhause lebt er nahezu autark – mit eigener Photovoltaikanlage, Quelle und gelegentlich auch veganem Essen. „Daran muss ich mich noch gewöhnen“, sagt er lachend. Dann steigt er aufs Rad – und tritt mit elektrischer Unterstützung locker in die Pedale Richtung Klagenfurt.
Die zweite Etappe endet in Klagenfurt. Dort legt die Velovista einen Pausentag ein – gerade rechtzeitig, denn es regnet ununterbrochen. Doch kaum jemand nutzt den Begleitbus. Die Stimmung bleibt gelassen. Wer mag, macht am freien Tag eine Bootstour auf dem Wörthersee oder erkundet die Innenstadt. Ein Highlight ist der Lindwurmbrunnen, das Wahrzeichen der Stadt. Der steinerne Drache erinnert an die Gründungssage Klagenfurts. Demnach hauste der Lindwurm-Drachen einst in einem Sumpf in der Nähe der Stadt und verspeiste die Menschen, die ihm zu Nahe kamen. Daraufhin errichteten die Bewohner einen Turm, an dessen Spitze sie ein Seil mit einem Haken befestigten. Daran hängten sie einen Ochsen als Köder. Als der Drachen auftaucht, um den Ochsen zu fressen bleibt er am Haken hängen und so können die Bewohner den Drachen erschlagen.
Zurück nach Villach – mit noch mehr Radlern
Soweit geschichtlich-kulturell und am Vorabend kulinarisch mit Kärntner Kasnudeln gestärkt, radeln am vierten Tag über 500 Teilnehmer:innen zurück nach Villach. Für die beiden letzten Etappen sind zusätzlich 100 E-Biker dazugekommen. Zwanzig Guides begleiten die Tour, sichern Kreuzungen und sorgen für einen reibungslosen Ablauf.
Zwei von ihnen: Wilhelm und Karin Soly – Vater und Tochter. „Ich fahre seit weit über 40 Jahren Rad und bin froh, dass ich jetzt mit 73 ein E-Bike habe“, erzählt Wilhelm. „So kann ich mit meiner sportlichen Tochter mithalten.“ Karin ergänzt: „Stell dir vor, all diese Menschen wären mit dem Auto in Kärnten unterwegs – was für eine Umweltbelastung. Dank E-Bike ist das nicht mehr nötig.“
Für alle ohne eigenes E-Bike: Technik zum Ausleihen
Wer kein eigenes E-Bike besitzt, kann sich bei der Velovista eines leihen. Die zur Verfügung gestellten Cube Nuride Allroad-Modelle (Baujahr 2022) sind solide Tiefeinsteiger Trekking Bikes mit 28 Zoll Reifengröße, mit einer Shimano Deore 8-Gang-Schaltung, einer SR Suntour NVX 30 Federgabel, sowie einer Motorleistung von 250 Watt. Sie sind von einem Mittelmotor der „Bosch Drive Unit Performance Generation 3“ mit 625 Wh angetrieben. Der Bordcomputer bietet von Eco bis Turbo vier Fahr-Modi.
Die Reichweite liegt bei über 80 Kilometern – ideal für die Tagesetappen. Probleme gibt es keine: kein technischer Defekt, keine Panne, kein leergefahrener Akku. Alle kommen zuverlässig ans Ziel. Finale rund um den Ossiacher See – mit musikalischem Zwischenstopp. Am letzten Tag wartet mit der vierten Etappe eine der schönsten Strecken: 44 Kilometer rund um den Ossiacher See. Die Route verläuft meist direkt am Wasser, mit Ausblick auf die Berge.
Ein Zwischenstopp beim Benediktinerstift Ossiach ist fest eingeplant – nicht nur wegen der prächtigen Kapelle, sondern auch wegen der Geschichte: Hier verbrachte Komponist Alban Berg viele glückliche Stunden mit seiner großen Liebe Helene.
Zufriedene Gesichter zum Abschluss – und ein 86-jähriger Held Am Nachmittag rollt das Feld wieder in Villach ein. Katharina und Herbert Görk haben alle Etappen mühelos geschafft. „Top organisiert, tolle Gruppe – wir sind begeistert“, sagen sie.
Auch Organisator Paco Wrolich ist zufrieden – und denkt schon an die nächste Velovista 2026. „Wir könnten Gruppen einteilen – zum Beispiel zuerst die ohne E-Bikes starten lassen, damit sie bei Anstiegen nicht abgehängt werden“, schlägt er vor. Außerdem wünscht er sich mehr Slow-Food-Angebote und freut sich, dass sich viele Hotels entlang der Strecke für das Österreichische Umweltzeichen bewerben.
Ein letzter Moment: Respekt für die Generation Ü80
Am Ende der letzten Etappe schiebt ein grauhaariger Herr sein E-Bike eine kleine Anhöhe hinauf. Ein Guide fragt, ob er Hilfe braucht. „Nein, danke. Ich darf das – ich bin 86“, antwortet der Mann lächelnd.
Er ist der älteste Teilnehmer der Velovista. Zwei 84-jährige Radlerinnen folgen ihm knapp. Insgesamt sind mehr als zehn Prozent der Teilnehmenden über 75 Jahre alt – und ein lebendiger Beweis dafür, dass Mobilität, Gemeinschaft und Lebensfreude keine Altersgrenzen kennen.