Interviews

Oliver Stefani: Einfaches Design ist langlebiges Design

Oliver Stefani verantwortet das Design von Skoda. Foto: Benjamin Pichelmann

Der tschechische Autobauer Škoda hat mit dem Vision O auf der IAA einen vielbeachteten Kombi präsentiert. Im Gespräch mit Electrified spricht Chefdesigner Oliver Stefani über die Bedeutung des Kombis und über nachhaltiges Design.

Oliver Stefani verantwortet beim tschechischen Autobauer Škoda das Design. Damit trägt er maßgeblich zum Erfolg der Marke bei. Auf der IAA in München hat die VW-Tochter das Komzeptfahrzeug Vision O präsentiert, einen elektrischen Kombi.


Dass die Marke dort nicht einen weiteren SUV präsentiert hat, kam dabei gut an. «Super, kein SUV! Das war der Tenor. Deshalb war es richtig, dass wir es genauso gemacht haben, da es so gut zu unserer Marke passt – und weil Skoda ausgesprochen erfolgreich im Kombi-Segment unterwegs ist», sagte Stefani in einem gemeinsamen Interview mit dem Magazin Electrified und der Autogazette. Wir haben den Škoda-Chefdesigner im Designzentrums des Herstellers im tschechischen Mlada Boleslav besucht und mit ihm unter anderem auch über zeitloses und damit nachhaltiges Design gesprochen.

«Evolution unserer Modern Solid Designsprache»

Der Skoda Vision O ist ein Konzeptfahrzeug und entwickelt die Designsprache weiter. Foto: Benjamin Pichelmann

Electrified: Herr Stefani, vor uns steht das Konzeptfahrzeug Vision O. Es ist der erste elektrische Kombi von Skoda. Sehen wir hier die neue Designsprache der Marke, die über Modern Solid-Design hinaus geht?

Oliver Stefani: Mit dem Vision O zeigen wir die Evolution unserer Modern Solid Designsprache, die wir 2022 mit dem Showcar Vision 7S eingeführt haben – und jetzt sukzessive auf unsere Serienmodelle übertragen. Dieses Design war ursprünglich für SUVs gedacht. Doch es war klar, dass Skoda als Kombi-Marke auch einen elektrischen Kombi machen will…

Electrified: …erfreulich, dass sie nicht erneut ein SUV präsentieren…

Stefani: …so fielen übrigens auch die meisten Kommentare der Journalisten aus, denen wir das Auto in München gezeigt haben: Super, kein SUV! Das war der Tenor. Deshalb war es richtig, dass wir es genauso gemacht haben, da es so gut zu unserer Marke passt – und weil Skoda ausgesprochen erfolgreich im Kombi-Segment unterwegs ist.

Electrified: Wo lag die Herausforderung, Modern Solid auf den Vision O zu übertragen?

Stefani: Es ging darum, unsere Formsprache so weiterzuentwickeln, dass wir noch schlichter, noch puristischer im Design werden, ohne jedoch Solidität, die Markenidentität von Skoda, zu verlieren. Darin lag die Herausforderung.

«Gehen deutlichen Schritt weiter»

Der Markenname Skoda steht mittig auf dem Lenkrad des Vision O. Foto: Benjamin Pichelmann

Electrified: Der Vision O strahlt für mich mehr Modernität als die anderen Modelle aus

Stefani: …mit diesem modernen Design gehen wir einen deutlichen Schritt weiter, zeigen aber glaubhaft, dass wir unsere Identität nicht verlieren: Der Vision O ist ein Ausblick auf morgen, aber klar ein Skoda.

Electrified: Wie herausfordernd ist es, ein Design zu entwickeln, was auch noch im nächsten Jahrzehnt funktioniert? Denn erst dann soll ein elektrischer Kombi auf der neuen Konzern-Elektro-Plattform kommen.

Stefani: Das ist eine sehr gute Frage, aber so schwer ist das gar nicht. Ein gutes Beispiel ist der Golf 4, der 1997 auf den Markt kam und den es mittlerweile in Generation 8 gibt. Das Auto hat bis heute nichts verloren, wirkt weiter zeitgemäß.

«Einfaches Design ist langlebiges Design»

Blick in den Innenraum des Skoda Vision O mit den futuristischen und nachhaltigen Kopfstützen. Foto: Benjamin Pichelmann

Electrified: Worauf ist das zurückzuführen?

Stefani: Der Grund dafür liegt in der Verwendung einer puristischen Designsprache. Einfaches Design ist langlebiges Design.

Electrified: Verstehen Sie das auch unter Nachhaltigkeit beim Design?

Stefani: Absolut. Nachhaltiges Design mit dem Blick auf unsere Kunden, damit sie lange Zeit ein modernes Auto haben.

Electrified: …er sieht sich nicht satt...

Stefani: …das ist ganz wichtig, denn ein Auto ist wahrscheinlich die zweitgrößte Anschaffung im Leben. Sie wollen kein Auto, das in zwei Jahren alt aussieht. Deshalb ist Design-Simplicity einer der wichtigsten Elemente in unserer Modern Solid Designsprache.

Electrified: Was ist schwieriger: Ein Auto wie den Vision O zu designen oder einen Superb, ihr Flaggschiff, in die nächste Generation zu bringen?

Stefani: Es ist immer eine schwierige Aufgabe, etwas zu verbessern, was erfolgreich ist. Das birgt das Risiko, dass man zu viel oder zu wenig macht. Man muss aber mutig sein, um etwas weiterzuentwickeln. Einen Flopp zu heilen ist einfacher, als etwas Gutes weiterzuschreiben. Man muss ein Auto auch verstehen. Dazu gehört, dass man weiß, welche Elemente vom Kunden geschätzt werden; die muss man bewahren und sie weiter polieren.

«Grundproportionen machen größten Teil des Erfolgs aus»

Der Skoda Vision O basiert auf der neuen E-Plattform SSP. Foto: Benjamin Pichelmann

Electrified: Was schätzt denn der Skoda-Kunde am Design?

Stefani: Ich glaube, er schätzt das unaufgeregte, aber eben nicht unattraktive Design. Wenn wir uns den Octavia oder den Superb anschauen, dann sind das sehr gut gestaltete Autos. Wir haben tolle Proportionen gepaart mit einer gewissen Sportlichkeit. Deswegen steht ihm auch das RS so gut. Die Grundproportionen machen den größten Teil des Erfolgs aus.

Electrified: Gerade beim Kombi spielen die Maße eine wichtige Rolle…

Stefani: …absolut, ein gutes Auto muss die richtigen Abmessungen und auch das richtige
Kofferraumvolumen haben…

Electrified: …was beim Vision O bei 650 Litern liegt…

Stefani: …ja, das wird zwar belächelt, dass wir bei einem Showcar vom Kofferraumvolumen reden. Aber mit dieser Größe des Kofferraums müssen wir umgehen, da sie Einfluss auf die Proportionen hat. Klar können wir auch ein Auto mit einem Kofferraumvolumen von 500 Litern machen. Aber eigentlich sind wir stolz darauf, den Kunden einen großen Kofferraum, eine breite Ladeöffnung und einen tiefen Boden zu geben.

Electrified: Wenn ich mir den 4,85 Meter langen Vision O von der Seite anschaue, dann finde ich ihn hinten heraus sehr lang. Hätten Sie sich einen kleineren Kofferraum gewünscht?

Stefani: Ich finde das wirklich attraktiv, weil dadurch der Eindruck des Schiebens entsteht, man hat ein Aerogefühl: Das Dach zieht schön runter, die Scheibe ist sehr scharf und schnell, der Boden ist relativ weit hinten. Das garantiert den großen Kofferraum.

Electrified: Wobei die Proportionen ja insbesondere auch den Platz im Innenraum bestimmen…

Stefani: Klar, das ist das Zweite, was wichtig ist: der Innenraum. Ich will diese Knie-, und Beinfreiheit haben. Gibt es einen definierten Abstand zwischen Rücksitz und Vordersitz? Das sind Dinge, die dem Kunden wichtig sein.

Electrified: Das beste Beispiel für ausreichend Platz auf dem Rücksitz ist unter Ihren Modellen der Superb, der ja als Raumwunder gilt.

Stefani: Wenn wir auf einer Dienstreise mit einem Superb abgeholt werden und man sich reinsetzt, dann fühlt man sich sofort wohl und sagt: Wow, ist das großzügig! Man hat Platz und das ist diese Erfahrung, die wir dem Kunden geben wollen. Es ist das, was er erwartet. Wir sprechen nicht nur über Kundenorientiertheit – wir handeln konsequent danach.

«Wir müssen den Kunden mitnehmen»

Das Heck des Skoda Vision O mit dem beleuchtetem Markennamen. Foto: Benjamin Pichelmann

Electrified: Ihr einstiger VW-Kollege Klaus Zyciora sagte mir einmal, dass die E-Mobilität ihm als Designer ganz neue Möglichkeiten bieten. Welche bietet sie Ihnen, die sie zuvor nicht hatten?

Stefani: Das hat Skoda vermieden, weil wir gesagt haben, dass wir den Kunden mitnehmen müssen, eben nicht alles anders machen. Natürlich gibt es Parameter, die anders sind. Beispielsweise brauchen wir bei einem E-Auto vorn im oberen Bereich keinen Lufteinlass. Das alleine macht einen großen Unterschied. Dadurch können wir das, was wir in den vergangenen Jahren mit Chrom, Grill, Scheinwerfer gemacht haben, neu interpretieren. Das zeigen wir beim Vision O, das haben wir beim Enyaq und Elroq gemacht. Wir haben uns Freiräume geschaffen, um Dinge auszuprobieren.

Electrified: Stört es Sie, dass zum Start der E-Mobilität vor allem SUVs angeboten wurden?

Stefani: Für mich war immer klar, dass wir auch flachere Autos als Elektroautos brauchen. Bei Elektroautos geht es nicht nur um SUVs. Es gibt genug Käufer und Liebhaber auch für flachere, anders gestaltete Autos. Niedrigere oder flachere Autos sind auch aerodynamisch besser, was für Elektrofahrzeuge entscheidend ist. Deshalb bin ich auch ein großer Verfechter dieses Autos, des Kombis. Ich möchte es so tief wie nötig haben für den Kunden.

Electrified: Im Vorfeld der IAA wurde der Vision O als elektrischer Octavia bezeichnet. Ist er das oder ist er schlicht ein Kombi?

Stefani: Für uns ist das erst einmal ein Kombi. Der Kombi ist, ob es ein Fabia Kombi war oder ein Superb Kombi ist, bei Skoda eine Ikone. Deswegen ist es so wichtig, dass wir dieses Auto haben. Das Auto ist von uns so gestaltet, dass es genau zwischen Octavia und Superb passt.

Electrified: Was finden Sie eigentlich am Vision O am coolsten?

Stefani: Das Auto weist viele Innovationen auf. Angefangen im Interieur mit der Schalttafel, dem Horizon Display über die Sitze bis hin zu nachhaltigen Materialien bei den Kopfstützen, die etwas Besonderes sind. Wir wollten etwas machen, was einfach zu produzieren, was aus Monomaterial ist und sich gut recyceln lässt. Wir werden uns das mit den Kopfstützen genau anschauen, ob das auch in der Serie geht und wir es weiterentwickeln können. Wir machen so etwas, um dem Unternehmen eine Vision zu geben, was sein könnte.

«Ich kämpfe grundsätzlich für gutes Design»

Einfaches Design ist langlebiges Design, sagt Oliver Stefani. Foto: Benjamin Pichelmann

Electrified: Was würden Sie sich wünschen, was es von dem Auto auf jeden Fall in die Serie schaffen sollte? Wofür würden Sie kämpfen?

Stefani: Ich kämpfe grundsätzlich für ein gutes und neues Design. Das HMI-Konzept gehört sicherlich zu etwas, was auf den Fall weiterzuführen ist. Das gleiche trifft auf das Thema der Monomaterialien bei den Kopfstützen zu. Beim Exterieur möchte ich gern die simple Gestaltung bei der Seitenansicht weiterführen, auch die beleuchteten Schriftzüge würde ich beibehalten.

Electrified: In den Unterlagen zum Vision O steht, dass es das erste Auto sei, was aus der Kundenperspektive von innen heraus entwickelt worden ist. Was heißt das genau?

Stefani: Normalerweise machen wir eine Exterieur Skizze, dann das Interieur, wobei das Exterieur immer etwas vorne weg läuft wegen der Maße. Diesmal haben wir gesagt, lasst uns innen beginnen und von der Wahrnehmung der Kunden kommen. Sprich: Wie erleben die Kunden das Auto und welche Erlebnisse sollen die Kunden im Auto haben?

Dabei muss man im Blick haben, dass wir ja ganz unterschiedliche Kunden haben: wir haben Familien, Kunden, die das Auto nur am Wochenende nutzen und wir haben Kunden, die es geschäftlich nutzen. Der Superb und der Octavia sind sehr beliebte Flottenautos. Deshalb haben wir auch neues Licht im Auto, das so genannte „Bio Adaptive Lightning System“. Es ist für Menschen, die besonders lange Strecken fahren. Es erhöht das Wohlbefinden und die Ausgeruhtheit, mit der ich am Ziel ankomme. Das wäre toll, wenn wir das mit diesem Auto erreichen können.

Electrified: Spielt das Lichtdesign zukünftig eine noch größere Rolle?

Stefani: Sicherlich werden wir mehr mit Licht im Innenraum tun, wir arbeiten mit direktem und indirektem Licht. Mit Licht können wir auch die Flächen im Innenraum ganz anders bespielen.

Electrified: Ist es ein neuer Trend, dass das Markenlogo bzw. der Markenname beleuchtet ist?

Stefani: Ich denke, dass das ein neuer Trend ist. Denn wir machen keine Lichtbänder– und die Beleuchtung des Logos oder Namens fügt sich schön ins Gesamtbild ein. Ich mag es sehr.

Electrified: Und natürlich große Räder?

Stefani: Absolut. Das ist das Einmaleins des Autodesigns, sie sind wichtig für die Proportionen: Mache das Auto flach, mache es breit und mache große Räder drauf, dann kannst Du nichts falsch machen.

Skoda-Chef Klaus Zellmer (vorn) und Chefdesigner Oliver Stefani mit dem Showcar Vision O. Foto: Benjamin Pichelmann

Electrified: Worüber mussten Sie denn beim Vision O mit Skoda-Chef Klaus Zellmer und Entwicklungsvorstand Johannes Neft am meisten diskutieren?

Stefani: Die größten Diskussionen gab es über das HMI-Konzept. Das ist für uns sehr revolutionär: Wir haben jetzt kein originäres Driver Display mehr, wir wollten alle redundanten Informationen ausschalten. So wollten wir diesen Overkill an Informationen und Displays, die es in modernen Autos mittlerweile gibt, reduzieren. Die Simplizität, die wir im Exterieur und Interieur sehen, wollten wir auch in der Bedienung haben.

Das Interview mit Oliver Stefani führte Frank Mertens

Über den Autor

Frank Mertens

Nach dem Sport- und Publizistikstudium hat er sein Handwerk in einer Nachrichtenagentur (ddp/ADN) gelernt. Danach war er jahrelang Sportjournalist und hat drei Olympische Spiele (Sydney, Salt Lake City, Athen) als Berichterstatter begleitet. Bereits damals interessierten ihn mehr die Hintergründe als das bloße Ergebnis. Seit 2005 berichtet er über die Autobranche. Neben der Autogazette verantwortet er auch den redaktionellen Teil des Magazins electrified.

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