Der VW ID.7 ist das neue Elektro-Flaggschiff der Marke. Was es zu bieten hat, haben wir in Südfrankreich getestet.
VW-Markenchef Thomas Schäfer hat es nicht leicht in diesen Wochen. Der Kernmarke VW Pkw muss der Manager ein milliardenschweres Sparprogramm verpassen, die Rendite von jetzt 3,4 Prozent deutlich steigern.
Zu allem Überfluss schwächelt die Nachfrage nach den Elektromodellen der Marke und fehlende Elektromotoren aufgrund von Problemen bei einem Zulieferer führen zu Produktionsausfällen in den Werken in Zwickau und Emden. Schäfer hat den Spaß an seinem Job trotzdem nicht verloren, wie er sagt. Der Manager möchte und muss die Marke wieder zu altbekannter Stärke führen, sie zu einer „Love Brand“ machen. Das wird er nicht müde zu betonen, auch nicht in der Nähe von Marseille. Hier zeigten die Wolfsburger den ID.7. Es ist das neue Flaggschiff der ID-Familie. Mit großer Batterie (sie kommt wie die GTX- und Allradvariante später) ermöglicht es eine Reichweite von 700 Kilometer. Genug Reichweite, um auch Kundinnen und Kunden zum Kauf eines E-Modells zu überzeugen, die bislang aus Reichweitenangst mit der E-Mobilität gefremdelt haben.
Marktstart mit Schräghecklimousine
Zum Marktstart in diesen Wochen kommt der ID.7 zunächst als Schräghecklimousine auf den Markt, im kommenden Jahr folgt der Kombi (von VW Tourer genannt), der in Südfrankreich noch getarnt auf der Terrasse der Relaisstation stand.
Mit dem ID.7 zeige man, wie VW „Elektromobilität langstreckentauglich und komfortabel“ mache. „Die Limousine bietet Top-Qualität, intuitive Bedienung und Effizienz, die Spaß macht“, sagt der Markenchef. Er zeigt sich überzeugt, dass das Auto bei den „Kundinnen und Kunden sehr gut ankommen wird“. Das muss er auch, denn der E-Absatz von VW braucht angesichts der nachlassenden Nachfrage – wovon derzeit die gesamte Branche betroffen ist – einen Schub. Und das nicht nur in Europa, sondern gerade auch in China, wo die heimischen Hersteller, allen voran BYD, den Wolfsburgern arg zusetzen. Mit dem ID.7 jedenfalls will man verlorenes Terrain auf dem wichtigsten Einzelmarkt der Marke gut machen.
Damit das gelingt, hat man bei VW bei seinem zweiten Weltauto innerhalb der ID-Familie vieles besser gemacht als es noch beim ID.4 und ID.3 der Fall war. Das fängt beispielsweise bei der Verarbeitungsqualität an, die von Kundinnen und Kunden gerade beim ID.3 kritisiert wurde, weshalb der Einstiegsstromer Anfang des Jahres auch ein vorzeitiges Facelift erhielt.
Gute Verarbeitung
Von Qualitätsmängeln kann beim ID.7 im Gegensatz keine Rede sein. Er fährt mit einem wertigen Innenraum vor, den man von einem Auto auch erwarten kann, das in der gehobenen Mittelklasse unterwegs ist und in der Einstiegsversion mindestens 56.995 Euro kostet.. Die Materialien sind gut verarbeitet, fühlen sich auch so an. Die Kunststoffflächen an der Mittelkonsole fallen optisch nicht negativ auf. Vor allem aber wurde neben dem E-Antrieb der neuen Generation – dazu gleich mehr – das Cockpit überarbeitet. Der viel gescholtene Slider für Klimaanlage und Lautstärke unterhalb des 15 Zoll (38 Zentimeter) großen Touchscreens ist zwar immer noch vorhanden, dafür ist er jetzt beleuchtet.
Dafür ist der ID.7 als einziges Fahrzeug dieser Klasse mit einem serienmäßigen Augmented-Reality-Head-up-Display unterwegs. Die wichtigsten Information werden so ins direkte Sichtfeld des Fahrer projiziert. Damit muss er den Blick nicht von der Straße abwenden. Während andere Hersteller mittlerweile dazu übergangen sind, Fahrerin oder Fahrer die notwendigen Fahrinfos auf Touchscreen anzeigen (Volvo EX30) zu lassen, bleibt VW erfreulicherweise bei einer redundanten Informationsebene: Direkt hinter dem Lenkrad befindet sich dazu eine kleine Anzeige, die nochmals relevante Infos anzeigt. Was indes nach wie vor unschön ist, sind die Touchtasten am Lenkrad. Die standen und stehen bereits im ID.3 in der Kritik – finden sich aber nach wie vor auch im ID.7 wieder. Schade.
Software führt Befehle schnell aus
Gebessert hat sich dafür die Geschwindigkeit des Infotainmentsystem. Es fährt mittlerweile zügig hoch und legt nicht mehr eine Verschnaufpause ein, bevor die ersten Anzeigen erscheinen. Die Bedienung ist zwar nicht intuitiv, aber eine Einweisung vorausgesetzt, findet man mehr oder weniger zügig die richtigen Einstellungen. Dafür kann man auch die Sprachsteuerung nutzen, aber die funktionierte bei unserem Testwagen nicht durchgehend zufriedenstellend. Teils hat sie die Sprachbefehle überhaupt nicht erkannt oder wusste nicht, was gemeint war. Häufig sitzt das Problem für solche Probleme zwar direkt hinter dem Steuer, aber sowohl bei mir als auch meinem Beifahrer gab es Verständigungsprobleme.
Ins Navigationssystem integriert, ist auch ein Routenplaner. Der zeigt einem nicht nur die auf der Route befindlichen Ladestationen an, sondern zeigt auch den prozentualen Ladestand an, mit dem sie erreicht wird. Ein sinnvolles Feature haben die Entwickler ins Ladmanagement integriert. Dort findet sich eine Anzeige, die einen informiert, mit welcher maximalen Ladeleistung die Batterie des Fahrzeuges beim jetzigen State of Charge (SOC) geladen werden kann. Ferner lässt sich dort auch ablesen, wieviel Zeit nach Betätigen der Vorkonditionierung vergeht, um die optimale Ladeleistung vergeht.
Ladeleistung von bis zu 175 kW
Unser Testwagen, der ID.7 Pro mit der 77 kWh Batterie (brutto 82 kWh) und einer Reichweite von 621 Kilometer kommt unter Optimalbedingungen auf eine Ladeleistung von bis zu 175 kW. Von diesem Wert war unser Fahrzeug bei den Testfahrten bei winterlichen Außentemperaturen von vier Grad weit entfernt. Mit Vorkonditionierung war nicht mehr als 135 kW möglich. Aber die Wohlfühtemperatur für E-Autos liegt nun einmal im Bereich zwischen 20 und 25 Grad.
Doch wie fährt sich der Neue nun? Gut, für ein Fahrzeug mit einer Länge von fast fünf Metern (4,96) und einem Gewicht von fast 2,2 Tonnen sogar sehr gut. Das Fahrwerk hinterlässt einen stimmigen Eindruck Es ist zwar straff, aber nicht unkomfortabel abgestimmt. Das ist alles überzeugend. Doch allzu viel Sportlichkeit sollte man von dem neuen ID.7 nicht erwarten. Zwar kommt er auf eine Leistung von 286 PS und ein maximales Drehmoment von 545 Nm. Doch wer vehement aufs Gaspedal tritt, der wird möglicherweise enttäuscht werden. Denn den Kick der Beschleunigung, wie man es von anderen E-Autos kennt, lässt der ID.7 vermissen. Den Sprint von 0 auf 100 absolviert er dennoch in stattlichen 6,5 Sekunden und die Höchstgeschwindigkeit liegt bei völlig ausreichenden 180 km/h an. Der ID.7 ist damit eher etwas für Fahrerinnen und Fahrer, die den Reisekomfort schätzen und nicht die sportliche Gangart.
Gute Aerodynamik sorgt für Effizienz
Um den Verbrauch zu optimieren, haben die Entwickler viel für die Effizienz getan – und das lässt sich auch an der Aerodynamik ablesen: ein Luftwiderstandsbeiwert von 0,23 ist sehr gut – und das merkt man auch beim Verbrauch. Je nach Ausstattung soll er nach WLTP bei 14,1 bis 16,3 kWh/100 km liegen. Ein Wert, den wir zwar deutlich verpasst haben, aber bei den zwei Teststrecken über insgesamt mehr als 200 Kilometer kamen wir zumindest in die Nähe. Nach dem ersten Tag zeigte der Bordcomputer einen Verbrauch von 18,9 kWh an, am zweitem Tag aufgrund des Streckenprofils sogar glatt 17 kWh. Das lässt sich sehen.
Wenn es denn etwas neben den Touchtasten des Lenkrads zu kritisieren gibt, dann ist es der Einstieg in den Fond – hier fordert die abfallende Dachlinie ihren Tribut. Großgewachsene um die 1,90 Meter müssen den Kopf auf die Brust legen, wollen sie sich nicht den Kopf stoßen. Ist man 15 Zentimeter kleiner, ist es kein Problem. Sitzt man indes erst einmal im Fond, hat man ausreichend Platz. Über zu wenig Kopf- und Kniefreiheit braucht sich keiner beklagen. Das trifft auch auf den Platz im Kofferraum zu: dort lässt sich unter der großen und elektrisch öffnenden Heckklappe mindestens 532 Liter Gepäck verstauen. Das reicht für den Familienausflug allemal.
Nach den Testfahrten jedenfalls kann man die Zuversicht des Markenchefs verstehen, dass dieses Auto bei den Kundinnen und Kunden ankommt.