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Sophia Flörsch: Superwoman mit Superkräften

Sophia Flörsch will die Männerdomäne Motorsport aufmischen. Foto: Stefan Schütz

Sophia Flörsch ist auf dem besten Weg, die Machodomäne Motosport zu verändern und zu revolutionieren. Bis 2025, so ihr Plan, will sie in der Formel 2 sein, danach in die Formel 1 aufsteigen.

Von Andreas Haslauer


Ein normaler Mensch hätte den Horror-Unfall wahrscheinlich nicht überlebt. Sophia Flörsch schon. Mit fast 280 Sachen kollidierte die Rennfahrerin 2018 mit einem Konkurrenten, schlug dann mit Vollspeed rückwärts auf der Höhe eines 2. Stockwerks in ein Podest für Fotografen ein. Wie kam es aber dazu? Jehan Daravula bremste vor ihr, weil er ein gelbes Lichtsignal gesehen hatte. Später kam jedoch heraus, dass es ein falsches Signal war. In dem Moment, als Daravula jedoch das Tempo drosselte, scherte die damals 17-jährige Münchnerin mit Höchstgeschwindigkeit aus, um Daravula zu überholen. Dabei touchierte ihr rechtes Hinterrad mit ihm, verlor auf der linken Seite beide Räder. Die Folge war, dass ihr Chassis unkontrollierbar auf dem Asphalt schlitterte.

„Ich hatte durch die fehlenden Reifen einfach nichts mehr, mit dem ich bremsen konnte. Mehr noch: Ich wurde sogar schneller anstatt langsamer. Eine Art Bordstein, ein Curb, vor der Kurve ließ mein Auto abheben. Dann flog ich durch die Luft“, erinnert sich Flörsch, die Unkaputtbare, fünf Jahre nach dem fürchterlichen Unfall. Passieren hätte alles können: von der Querschnittlähmung bis zum Tod. Aufgrund dessen, dass sie aber keinerlei Schuld traf, hat Flörsch nie an sich gezweifelt, nie überlegt aufzuhören. „Nicht eine Sekunde. Ich habe noch einiges vor“, kündigt die 23-jährige Ausnahmefahrerin an.

Auf dem Weg in die Formel 2

Flörsch hat sich ehrgeizige Ziele gesetzt. Ab dem kommenden Jahr will die Frau, über die es schon einen Dokumentarfilm („Racegirl“) gibt, in der Formel 2 starten, dann in der Champions League des Sports, der Formula Uno, mit um den Sieg fahren. Am einfachsten wäre es für sie, wenn ihr Vater, Alex Flörsch, ihr ein Team kaufen würde, sagt Sophia. Und lacht. Dennoch ist sie zuversichtlich. Seit 2022 ist sie bereits Förderpilot des BWT Alpine F1-Teams. Das ist ein Team, dass Talente in die Formel 1 bringen möchte. Dann ist sie noch im „RacHer“-Förderprogramm. Damit setzt Alpine einen Vorstandsbeschluss um, der besagt, bis 2030 eine Frau in die Formel 1 zu bringen. „Diese Chance will ich nutzen, dafür gebe ich alles.“

Das Langfrist-Ziel von Sophia Floersch ist die Formel 1. Foto: Stefan Schütz

Was stimmt sie aber zuversichtlich? Für das Rennteam ist sie bereits Langstrecken-Rennen gefahren. „Alpine weiß, wie ich das Fahrzeug im Grenzbereich bewegen und wie nahe ich den physikalischen Grenzen komme, ohne das Auto zu zerstören. Sie wissen alles über mich. Auch über meinen Trainingszustand, meine Einstellung und meinen Willen. Sie wissen also ganz genau, dass ich bereit bin, jeden Tag ans Limit zu gehen.“

Wunsch nach Frau in Formel 1

Etwas anderer Meinung ist (noch) Formel-1-Boss Stefano Domenicali. Der Italiener sagte vor zwei Jahren: „Ein Meteorit ist wahrscheinlicher als Frauen in der Formel 1“. Für Flörsch ist es bis heute ein Rätsel, wie so ein Mann in so einer Verantwortung so etwas sagen kann. „Die moderne Welt wünscht sich eine Frau in der Formel 1. Es wäre ein starkes Zeichen für die gesamte globale Sportwelt“, so Flörsch. Experten trauen es ihr auf jeden Fall zu.

Damit steigt sie zu einigen wenigen Frauen auf dieser Welt auf, die den Sport nicht nur verändern, sondern sogar revolutionieren. So, wie die Norwegerin Kristina Harila, die im vergangenen Jahr in Rekordzeit alle 14 Achttausender bestieg und es den Männern zeigte, dass auch Frauen Berge bezwingen und erstürmen können. So, wie Kathrine Switzer, die 1967 als erste Frau den Marathon bezwang und sich selbst vom Veranstalter nicht aufhalten ließ, als er sie unterwegs mit Gewalt von der Strecke prügeln wollte. So, wie die Springreiterin Isabell Werth, die sich gegenüber Männern durchsetzte und mehrere Goldmedaillen gewann. Das sind aber auch die einzigen Sportarten – also Reiten, Bergsteigen und Autorennen – bei denen Frauen und Männer am Start stehen. Flörsch ist bereit: „Die Kräfte, die auftreten, wenn ich durch die Porsche-Kurven in Le Mans oder durch den Tunnel in Monaco schieße, liebe ich. Dafür lebe ich. Ich gebe aber auch zu, dass es als Mädel schon ein echt richtig gutes Gefühl ist, den Jungs aber mal so dermaßen um die Ohren zu fahren“, sagt die Superwoman mit den Superkräften.

Noch hat Flörsch im männlich dominierten Machosport Motorsport immer noch mit Vorurteilen zu kämpfen. Frauen können nicht Autofahren, heißt es. Und weil noch nie eine Frau in der Formel 1 startete, wird das auch so bleiben. „Ich höre oft Ausreden, warum es aus diesen und jenen Gründen nicht klappt“, erklärt die Super-Frau. Sie ist anderer Meinung. „Zwischen einer Frau und einem Mann ist es in Sachen Kraft, Koordination und Reaktionsschnelligkeit nahezu egal, welches Geschlecht im Auto sitzt“, sagt Flörsch. Dazu gebe es einige gute sportmedizinische Untersuchungen. Ihr Puls bewegt sich beispielsweise auf der Strecke zwischen 160 bis 185 Herzschlägen, je nach Rennphase. Auf die gleichen Werte würden auch etliche Formel-1-Fahrer kommen. Mehr noch: „Ehrlich gesagt scheint mir ein Max Verstappen gerade nicht so austrainiert zu sein. Schnell ist er, aber so wirklich mega fit?“, fragt Flörsch. Ihr Gefühl sagt, dass männliche Hero-Stories herbeigeschrieben würden und nicht immer die Realität abbilden. Vielleicht sei das aber nur ihr weibliches Gefühl, sagt sie und grinst über beide Backen. Als Beispiel nennt sie Yuki Tsunoda, den Rennfahrer von Red Bull. Yuki ist 1,59 Meter groß, 61 Kilo leicht. Flörsch: „Mit ihm kann ich kräftemäßig locker mithalten.“ Das ist mal ne Ansage!

29 Jungs und eine Frau

Nachhaltigkeit ist für Sophia Flörsch wichtig, wie sie selbst sagt. Foto: Stefan Schütz

„Zu wenig Testosteron ist bei uns meistens nicht auf der Strecke“, erklärt Flörsch. Schließlich sind 29 Jungs auf der Piste. Und eine Frau. Sophia Flörsch. „Irgendwie fährt mir oft einer übermütig ins Auto. Manche Jungs haben es einfach nicht im Griff“, mosert Flörsch. Zu Recht. Denn im Vergleich zu den Testosteron-Boys hat sie sich im Griff. Einen Fehler könne sie sich im Grenzbereich der Physik nicht leisten. No way! Mit 30 Autos bei mehr als 300 Stundenkilometern in einen Zweikampf zu gehen, fordere maximale Konzentration. Das sei schon am Limit. Am Limit mit der Psyche. Aber auch voll auf der Höhe.

„Es ist immer noch eine Männerwelt, und in dieser Welt gibt es immer noch viele Männer, die glauben, dass Frauen da generell nichts zu suchen haben, jedenfalls nicht als Fahrerinnen“, hat sie mal in einem Interview gesagt. Und wer das nicht glauben kann, der bekommt es zu spüren. Ein bekannter deutscher Rapper erlebte es hautnah. 22 Sekunden hat Flörsch ihm jede einzelne Runde mitgegeben. Natürlich war er der festen Überzeugung, dass er schneller als sie Autofahren könne. „Hat nicht ganz geklappt“, sagt Flörsch sichtlich zufrieden. „ Kein Typ will sich von einem Mädel wie mir überholen lassen. Bitte verstehen Sie mich nicht falsch, das soll jetzt nicht nach Kampfansage klingen. Aber daran wird sich der eine oder andere Mann wohl gewöhnen müssen“, kündigt sie an.

Umwelt im Blick haben

Flörsch ist aber nicht nur eine Ausnahmefahrerin, sie kümmert sich auch um den Planeten. Wie es als Rennfahrerin geht? Privat achtet Flörsch darauf, dass sie die Umwelt so wenig wie möglich belastet. Das geht von der Mülltrennung zu Hause bis hin zu Reisen, die sie unternehmen muss. Sie wägt stets ab, welches Verkehrsmittel für sie sinnvoll ist, fährt gerne auch mit Fahrrad und Bahn. Nichtsdestotrotz muss sie mit ihren Autos nach Australien fliegen, nach Spanien, nach England, nach Bahrain.

„Glauben Sie mir, im Motorsport ziehen wir alle an einem Strang, damit wir die Umwelt so wenig wie möglich belasten“, sagt Flörsch und verweist auf die Studien die belegen, dass ein Fußballspiel am Samstagnachmittag in der Bundesliga einen größeren Fußabdruck hinterlässt als ein Autorennen in Monza oder Monaco. Dann sei es noch so, dass die Formel 1 sich das Ziel gesetzt hat, bis 2030 klimaneutral zu sein. Darüber hinaus setzt die Formel 1 schon heute Hybrid-Motoren ein, die mit Biokraftstoffen fahren. Aktuell wird E10 eingesetzt. Und: Mit den neuen Motoren wird ab 2026 ausschließlich Efuel eingesetzt. „Ich sage es fast schon gebetsmühlenartig, dass der Rennsport es längst verstanden hat, dass er sich ändern muss, dass er sich anpassen muss. Und das macht er. Deshalb bin ich wirklich sehr froh darüber, dass sich in unserem Sport etwas tut“, so Flörsch.

Die Sponsoren wie Novus, ein Startup das E-Motorräder entwickelt, haben Flörsch wegen ihrer stabilen Haltung zum Klima und ihrem herausragenden Können als Fahrerin als „Angel Ambassador“ verpflichtet. Novus hat ein Segment im Motorrad-Markt erschlossen, das es so noch nicht gibt. „Das Motorrad hat einen super Style, etwas futuristisches, etwas einzigartiges. Ein Spaßmobil für Fashionista. Für solche Sachen bin ich zu haben!“, sagt sie.

Novus als urbane Lässigkeit

Novus, Hersteller von innovativen E-Motorrädern, ist Sponsor von Sophia Flörsch. Foto: Stefan Schütz

René Renger, der Gründer und Chef des Unternehmens, nennt das Design „The apex of urban cool“, also den Höhepunkt der urbanen Lässigkeit. Die Menschen, die das Bike fahren werden, fahren also nicht nur am Sonntagnachmittag eine Runde um den Sylvensteinspeicher oder zum Kaffeekränzchen. Das Ding wird ab dem kommenden Jahr von Menschen gefahren, die in Metropolen leben. Flörsch kann sich sehr gut vorstellen, das E-Motorrad zu ihren Rennen mitzunehmen. „Auf dem Weg vom Hotel zu den Rennstrecken ist fast immer Stau. Wenn ich aber mein Novus dabei habe, flitze ich einfach an der Kolonne vorbei“, sagt sie. Da unterscheidet sie sich von fast allen. Die meisten F-1-Fahrer würden mit einem stinkigen Motorrad zur Rennstrecke kommen, sie mit dem coolen Novus-Bike. Das hat Stil, findet sie.

Neben den vielen Kooperationen fehlt dem Social-Media-Star noch eine: die mit dem Barbie-Hersteller. Sie findet es einfach toll, dass Barbie den Mädchen zeigen würde, dass es Ärztinnen und Architektinnen gibt. Ganz nach dem Motto: „Du kannst es schaffen, wenn Du es willst.“ Spätestens, wenn Flörsch in der Formel 1 ist – als erste Frau überhaupt – würde sie doch gerne eine eigene Barbie-Puppe haben. „Das ist doch nicht zu viel verlangt, oder?“, fragt die Superwoman mit den Superkräften grinsend.

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