Mit Nummer 4 bringt Polestar ein SUV-Coupé im D-Segment. Es überzeugt mit Kraft und Reichweite, an den Fond indes muss man sich gewöhnen.
Der Polestar 4 ist ein ausgewachsenes Mittelklasse-SUV mit Coupé-Touch. Mit seiner Länge von 4,84 Metern, 2,14 Metern Breite und einer Höhe von 1,54 Metern steht er satt und schick gestylt auf seinen Rädern und spielt. Mit Preisen ab 62.000 Euro in einer Liga etwa mit Audi Q6 e-tron, BMW iX3 oder dem Tesla Model Y. Er zeigt das firmentypische, skandinavisch inspirierte Design mit diversen Kunstgriffen für eine gute Aerodynamik.
Den Fond-Fahrgästen verspricht Polestar „ein neuartiges Erlebnis“. Stimmt genau. Auf dem gegenüber den Vordersitzen leicht erhöht eingebauten Gestühl hat man zwar bis hinter den Scheitel viel Himmel über sich, aber keinen Ausblick nach hinten. Die Heckscheibe wurde schlichtweg weggelassen, was je nach Gefühl oder Geschmack als irgendwie neu oder als irgendwie einschränkend wahrgenommen wird. Vermutlich ist dieser Eindruck eine Frage der Gewohnheit.
Bis zu 400 kW mit Allradantrieb
Das gilt allerdings nicht für die Auswirkungen des weggelassenen Durchblicks auf den Menschen am Lenkrad. Der hat zwar wie gewohnt einen Innenrückspiegel zur Verfügung. Doch dessen Bild liefert eine Kamera hinten am Wagendach. Im Prinzip eine prima Sache, weil die ein größeres Sichtfeld an den hochauflösenden Bildschirm liefert als herkömmliche Spiegel. Ein Problem gibt es allerdings, wenn ein Vertreter der, angesichts der Polestar 4-Preise vermutlich überproportional häufig vertretenen Generation Lesebrille am Steuer sitzt. Denn ohne Sehhilfe ist das Bild verwaschen und unklar. Und mit Brille ist wiederum der Blick auf die Straße verschwommen.
Für unsere Testfahrten stand uns kräftigere Version des Polestar 4 namens Long Range Dual Motor mit Performance-Paket zur Verfügung. Letzteres bietet unter anderem 22-Zoll-Räder, 4-Kolben-Brembo-Bremsen, ein spezielles Fahrwerkstuning, dazu Sicherheitsgurte, Bremssättel und Ventilkappen in Gold – kann man schön finden, muss man aber nicht. Die beiden Permanentmagnet-Motoren leisten zusammen 400 kW (544 PS) und liefern maximal 686 Nm an alle vier Räder. Damit lässt sich der Sprint aus dem Stand auf 100 km/h in 3,8 Sekunden erledigen, abgeregelt wird bei 200 km/h.
Gute Lenkung, gute Bremsen
Schnelle Überholmanöver auf der Landstraße sind eine Paradedisziplin des schwedisch-chinesischen Stromers, sie lassen sich annähernd so fix erledigen wie mit einem kräftigeren Motorrad – und das bei einem Leergewicht von 2.355 Kilo. Das aufwendige Fahrwerk des 4ers mit semiaktiver Federung ist in der Lage, das Gewicht bis zum hoch angesiedelten Grenzbereich gut zu kaschieren. Wer es mit der Kurvendynamik übertreibt, wird von Protestgeräuschen der Reifen akustisch eingebremst, ehe die elektronischen Wächter in Aktion treten. Nicht zu vergessen: Lenkung und die Bremsen des Polestar 4 machen einen guten Job.
Ums „Tanken“ muss man sich in dem Neuzugang nicht allzu oft Gedanken machen. Polestar verspricht für die Dual Motor-Variante eine Reichweite von bis zu 590 Kilometern, bei der 200 kW (272) PS starken Version mit Heckmotor und -antrieb sollen es bis zu 620 Kilometer sein. Der Akkuinhalt ist mit 100 kWh jeweils identisch, ebenso die maximale Ladeleistung von immerhin 200 kW an Gleichstrom und 22 kW an Wechselstrom. Am Schnelllader dauert die Füllung von 10 auf 80 Prozent laut Hersteller exakt eine halbe Stunde.
Bildschirm jetzt im Querformat
Im großzügig geschnittenen Innenraum (Radstand: 3,00 Meter) fühlt man sich nicht sehr überraschend ein wenig an Volvo erinnert. Polestar setzt mit recycelten Materialien und mit Naturfasern auf einen möglichst kleinen CO2-Fußabdruck bei der Produktion. Der 4er zeigt, dass das Konzept aufgeht und Nachhaltigkeit nicht mit Verzicht auf Schick und Komfort verbunden sein muss. Das Kofferraum-Volumen gibt Polestar mit 526 bis 1.536 Liter an, vorn gibt es einen kleinen Frunk für Ladekabel und Co.
Wie gewohnt setzt der Hersteller auch im 4er wieder auf das im Testwagen problemlos funktionierende Google-Betriebssystem. Gesteuert wird es über einen 15,4-Zoll-Bildschirm, der im Gegensatz zu den Modellen 2 und 3 im Querformat montiert ist. Dazu kommt noch das Head-up-Display mit einer Projektionsfläche im 14,7-Zoll-Format. Natürlich bringen auch den Polestar regelmäßige Over-the-Air-Updates auf den neuesten Software-Stand. Und die Armada der Assistenzsysteme ist nach dem Vorbild der großen Schwester Volvo sehr umfangreich.
Die Preisliste des in China und ab 2025 in Korea produzierten Polestar 4 startet bei 61.900 Euro für die Long Range Single Motor-Version. Mit zwei Motoren sind mindestens 69.900 Euro fällig. Bei Bestellungen bis Mitte November 2024 gibt der Hersteller einen Sofortrabatt von 4.000 Euro. (SP-X)