BMW hat auf der „Climate Week“ in New York gezeigt, was man alles für die CO2-Reduktion tut. Nachhaltigkeit ist für die Münchner wichtig – und die Fortschritte sind beachtlich, wie die Neue Klasse mit dem iX3 zeigt.
Ganz zufällig hat BMW die große Bühne nicht gewählt. Auch nicht den Termin. Zeitgleich mit der USA-Präsentation der Neuen Klasse in New York läuft – traditionell parallel zur Vollversammlung der Vereinten Nationen – die Climate Week. Politiker, Unternehmen und Vertreter der Zivilgesellschaft ringen dort um Strategien für mehr Klimaschutz. Die sind gefragter denn je. Auch wenn US-Präsident Donald Trump bei seiner Rede vor der Generalsammlung der UN den Klimawandel als den „weltweit größten Betrug aller Zeiten“ bezeichnete.
Keine zehn Gehminuten von der iX3-Enthüllung entfernt, am Union Square, tickt weithin sichtbar und in bedrohlichem Rot die Climate Clock. Deutlich weniger als vier Jahre bleiben auf ihr noch, dann wird die Begrenzung auf maximal zwei Grad Temperaturanstieg zum vorindustriellen Zeitalter nicht mehr zu schaffen sein.
Genau deshalb soll mit der Neuen Klasse auch eine neue Zeit in Sachen Nachhaltigkeit anbrechen. Schließlich geht es beim Automobilbau längst nicht mehr nur um halbwegs saubere Energie und ein bisschen Recycling. Modernes Rohstoffmanagement ist auch bei BMW die ganzheitliche Betrachtung von ökonomischen, ökologischen und sozialen Aspekten. Ergebnis dieser Bemühungen: Gegenüber dem Vorgängermodell kommt der iX3 auf 42 Prozent weniger Umweltbelastung – trotz größerer Batterie.
Kreislaufwirtschaft wird bei Planung mitgedacht
„Allein um das Thema Materialien kümmert sich eine ganze Mannschaft“, sagt Nils Hesse, Leiter Produktnachhaltigkeit bei BMW. „Schon bei der Planung müssen Kreislaufwirtschaft und Nachhaltigkeitsziele mitgedacht werden.“ Nahezu sortenreine Bauteile wie die künftige Sitz-Generation lassen sich nun mal einfacher aufarbeiten als ein komplexer Mix aus Materialien. Und die Forschung geht ständig weiter. Immer mit der Frage: Was lässt sich wofür noch sinnreich verwenden?
Für Hesse ein täglicher Kampf zwischen dem technisch Machbaren und der notwendigen Qualität. Ein Premium-Hersteller muss schließlich auch Ansprüche erfüllen. „Die Frage ist nicht, ob nachhaltig oder profitabel“, sagt Hesse. „Es muss nachhaltig und profitabel sein.“ Heißt: Ersatz mindestens zu gleichen Kosten. Bei Stahl ist das ungleich schwieriger als bei Fischernetzen, weil BMW eben nur ein vergleichsweise kleiner Abnehmer ist. Auch das Batterie-Recycling befinde sich erst im Hochlauf. Das Problem: Es fehlt schlicht an alten Akkus. „In 20 Jahren“, sagt Hesse, „wird das kein Thema mehr sein.“
Wichtig sei, beim Bau schon die spätere Demontage vor Augen zu haben. Seit mehr als 30 Jahren entwickelt und erprobt BMW deshalb in Unterschließheim Verfahren zur Wiederverwertung von Teilen und Wertstoffen. Die Erkenntnisse fließen direkt in die Produktentwicklung und werden über ein weltweites Netzwerk zur Verfügung gestellt. Aktuell nutzen etwa 3.000 Betriebe in 32 Ländern die gemeinsame Recycling-Datenbank. Die aktuell aufgearbeiteten Autos haben im Schnitt 15 Jahre auf dem Buckel. Sie werden gezielt zerlegt, der geschredderte Rest anschließend penibel sortiert. Wer den Planeten retten will, darf Aufwand nicht scheuen. Immerhin: Ein Drittel der verbauten Materialien im neuen iX3 hat schon ein Leben hinter sich. Das entspricht gut 700 Kilogramm.
Glänzende Ökobilanz des iX3
Für Hesse ein starkes Argument gegen die Mär von schlechter Ökobilanz bei der Produktion von E-Autos. „Legt man den europäischen Strom-Mix zugrunde, liegt der iX3 schon nach 21.500 Kilometern gleichauf mit dem vergleichbaren Verbrenner-Modell – bei Ökostrom sind es gar nur 17.500 Kilometer.“ Heißt: Etwa nach einem Jahr schon ist der Stromer im Plus. Und so ist die Elektrifizierung der Fahrzeugflotte für BMW aktuell der größte Hebel zur Minderung des CO₂-Ausstoßes. 2023 machten vollelektrische Fahrzeuge einen Anteil von 15 Prozent am weltweiten Absatz aus, ein Jahr darauf waren es schon 17,4.
Mehr Nachhaltigkeit soll auch der Einsatz von Wasserstoff bringen. Seit 1979 schon hat BMW das Thema im Blick – und auch immer entsprechende Autos gebaut. Stets allerdings in überschaubarer Stückzahl und manchmal nur als Prototypen. Den großen Durchbruch hat es in all der Zeit nicht gegeben, mit Einführung der Neuen Klasse könnte sich das allerdings ändern. Ab 2028 soll ein Modell mit Brennstoffzelle fester Bestandteil der Baureihe iX5 sein. „Vorreiter seiner Technologie“, verspricht Michael Rath, Leiter Wasserstofffahrzeuge. „Aber mit dem BMW-typischen Fahrvergnügen.“
Der Hochlauf der E-Mobilität sorgt aber auch dafür, dass sich der Schwerpunkt der CO₂-Emissionen verschiebt – von der Nutzung des Autos hin zur Fertigung. Das Thema wird so zum wesentlichen Kriterium bei der Auftragsvergabe. Schon seit 2021 verlangt BMW von seinen Lieferanten den Einsatz von Grünstrom. Das gilt auch für die Hersteller von Batteriezellen.
Nachhaltigkeit und Kreislaufwirtschaft tun aber nicht nur dem Planeten gut – sie verringern auch wirtschaftliche Abhängigkeiten. „Je mehr Sekundärstoffe wir verwenden, umso weniger muss man in Ländern mit problematischen Standards kaufen“, sagt Hendrik Lang, Bereichsleiter Strategie und Nachhaltigkeit in der Lieferkette. Ein Job, bei dem man eigentlich Hellseher sein müsste. Schließlich dauert die Beziehung zu einem Lieferanten im Schnitt 25 Jahre – drei Jahre Entwicklung, sieben Jahre Produktion, 15 Jahre Ersatzteilversorgung. So weit kann auch Lang nicht in die Zukunft schauen.
Risiken in Lieferketten minimieren
Corona habe die Komplexität von Lieferketten und ihre Anfälligkeiten schonungslos offengelegt, so Lang. Deshalb müsse man als Unternehmen beständig abschätzen, welche Komponenten weltweit und dauerhaft verfügbar seien – und welche eben nur begrenzt. „Damit verbunden ist ein ständiges Risikomanagement.“ So würden etwa mit KI unablässig Datenquellen ausgewertet: Wo drohen Naturkatastrophen, massive Streiks, politische Instabilität oder gar Kriege. Ziel: gerüstet zu sein für Alternativen. Lang: „Häufig gibt es mehrere Hersteller für identische Bauteile, dann muss umgeschichtet werden.“ Notfalls könne BMW auch mit eigener Fertigung von Komponenten kurzfristig einspringen.
Manchmal kann er sich seine Partner noch nicht mal wirklich aussuchen. „Bei Rohstoffen für Akkus kommt man an China derzeit nicht vorbei“, sagt Lang. Die logische Konsequenz daraus: „Wir müssen eine europäische Kette für eine europäische Batteriefertigung aufbauen.“ Eine Aufgabe, der sich BMW nicht alleine stellen könne. „Da braucht es industrieweite Initiativen und Unterstützung der Politik.“ Schließlich tickt die Uhr nicht nur am Union Square…